Prekärer Realismus
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Das Filmmuseum Düsseldorf, Schulstraße 4, lädt ab Mittwoch, 6. Februar, zur Filmreihe "Prekärer Realismus" ein. Die Filmreihe geht bis zum 26. Februar einigen der wichtigsten Stationen sozialrealistischer Fiktionalisierung im Film nach.
Der Wunsch, Realität unverfälscht abzubilden, begleitet das Kino seit seinen Anfängen und es haben sich stetig neue filmische Schulen und Strömungen um diesen vielleicht politischsten aller Wünsche gebildet. Der dokumentarische Auftrag des realitätsbezeugenden Filmbildes galt denen, die bisher keine Repräsentation erfahren hatten, den Bevölkerungsschichten am Rande der Gesellschaft.
Die Reihe "Prekärer Realismus" zeigt auf, wie mit filmischen Mitteln Unmittelbarkeit erreicht wird: Einerseits durch die Besetzung mit Laiendarstellern und -darstellerinnen und den Dreharbeiten an Originalschauplätzen, andererseits durch eine mit totalen Einstellungen und Wirklichkeitseffekten arbeitende Montage.
Der Realismus dieser Filme möchte die Alltäglichkeit von Armut und Mangel vor Augen führen.
Filmprogramm
Mittwoch, 6. Februar, 20 Uhr
ROSETTA
F; B 1999; 93 min; OmU; 35mm; FSK 6; R/B: Jean-Pierre und Luc Dardenne; K: Alain Marcoen, D: Émilie Dequenne, Fabrizio Rongione, Olivier Gourmet, Anne Yernaux u.a.
Das Mädchen Rosetta lebt mit ihrer Mutter in einem Trailer-Park in Belgien und möchte nichts weiter als einen Job. Der Film ist nicht nur ein politischer Aufruf, sondern vor allem auch eine humanistische Lehrstunde. Sein Realismus dient nicht allein der Repräsentation und damit letztlich der Affirmation eines von Armut und Mangel geprägten Alltags oder eines durch kapitalistische Verwertungslogik verkümmerten Gemeinschaftsgefühls. Einführung in die Filmreihe: Philipp Hanke.
Freitag, 8. Februar, 19 Uhr
A TASTE OF HONEY
BITTERER HONIG
GB 1961; 100 min; OF; digitalDCP; FSK 18; R: Tony Richardson B: Shelagh Delaney, Tony Richardson; K: Desmond Davis D: Dora Bryan, Robert Stephens, Rita Tushingham u.a.
Die Geschichte um die Jugendliche Jo, die mit ihrer alkoholkranken Mutter in ärmlichen Verhältnissen lebt und von einem Matrosen ein Kind bekommt, wurde von der erst 19-jährigen Shelagh Delaney als Theaterstück verfasst. Basierend auf ihrer eigenen Drehbuchadaption, brachte Tony Richardson den Stoff auf die Leinwand.
Freitag, 8. Februar, 21 Uhr
FISH TANK
GB 2009; 123 min; OmU; 35mm; FSK 12; R/B: Andrea Arnold; K: Robbie Ryan D: Katie Jarvis, Michael Fassbender, Kierston Wareing, Rebecca Griffiths u.a.
Die 15-jährige Mia nicht nur den Erwartungen und der impliziten Gewalt in ihrer Familie oder durch.ein ungerechtes Schul- und Klassensystem ausgesetzt. Connor, der neue Freund ihrer Mutter, steht eines Tages in der Küche, kommentiert ihre Tanzbewegungen und formuliert damit ein Verlangen, das für sie auch zu einem schmerzhaften Lernprozess führen wird.
Sonntag, 10. Februar, 17.30 Uhr
LE QUAI DES BRUMES
HAFEN IM NEBEL
F 1938; 91 min; OmU; digital1080p; FSK 12; R: Marcel Carné; B: Jacques Prévert, Pierre Dumarchais; K: Eugen Schüfftan; D: Jean Gabin, Michel Simon, Michèle Morgan, Pierre Brasseur u.a.
Sein Weg führt den Deserteur Jean nachts über die ländlichen, vereinsamten Straßen zu der Hafenstadt Le Havre, die sein Tor in die Freiheit sein soll. Auf der Suche nach einem Schlafplatz kommt er in einer alten Spelunke unter und trifft dort auf Gleichgesinnte, die weder Schlaf finden, noch ihn sich leisten können. Darunter auch die junge Herumtreiberin Nelly, der Jean mit der Zeit näherkommt. Bereits am nächsten Morgen ergibt sich für ihn die einmalige Chance: Ein lebensmüder Maler ist ins Meer gegangen und hinterlässt ihm seine Kleidung, Geld und Papiere. Die lang ersehnte Überfahrt nach Venezuela scheint gesichert, doch Nellys Vormund, der eifersüchtige Zabel, kommt ihnen dazwischen.
Mittwoch, 13. Februar, 20 Uhr
ACCATTONE · ACCATTONE
WER NIE SEIN BROT MIT TRÄNEN ASS
I 1961; 117 min; DF; 35mm; FSK 18; R/B: Pier Paolo Pasolini; K: Tonino Delli Colli; D: Franco Citti, Franca Pasut, Silvana Corsini, Adriana Asti, Alfredo Leggi u.a.
Die Geschichte des Zuhälters Vittorio, der durch ein Netz von Rivalität und Intrigen um seine Einnahmequelle gebracht wird und bei dem Versuch, sein Leben durch ehrliche Arbeit zu finanzieren, scheitert, scheint auf den ersten Blick alle Merkmale neorealistischer Prägung aufzuweisen. Und doch offenbart sich in der Verwendung der Musik Johann Sebastian Bachs und der sakralen Inszenierung der Hauptfigur die Motivation Pasolinis, dem prekären, von Gewalt und Verbrechen, Armut und Unsicherheit bestimmten Leben seiner Figuren eine christliche Überhöhung und göttliche Fügung zu verleihen.
Samstag, 16. Februar, 19 Uhr
WANDA
USA 1970; 102 min; OF; 35mm; FSK 18; R/B: Barbara Loden; K: Nicholas T. Proferes; D: Barbara Loden, Michael Higgins, Frank Jourdano, Valerie Manches, Dorothy Shupenes, Peter Shupenes u.a.
Ohne Arbeit und ohne Wohnung verbringt Wanda Goronski die Nacht auf der Couch ihrer Schwester, nur um am nächsten Morgen von ihr fortgeschickt zu werden. Auf dem Weg zum Scheidungstermin spaziert sie über Kohleberge irgendwo in Pennsylvania. Alle warten auf Wanda, die im letzten Moment in den Saal stolpert. Das Sorgerecht für ihre Kinder überlässt sie ihrem Ex-Mann und ist gleich wieder weg. Das ist der Auftakt von Wandas Suche nach ihrem Ich, in einer Welt, in der die weibliche Identität zweifellos im Verband der Kleinfamilie verankert ist.
Samstag, 16. Februar, 21 Uhr
WINTER'S BONE
USA 2010; 103 min; OmU; 35mm; FSK 12; R: Debra Granik; B: Debra Granik, Anne Rosellini nach einer Vorlage von Daniel Woodrell; K: Michael McDonough; D: Jennifer Lawrence, John Hawkes, Lauren Sweetser, Garret Dillahunt u.a.
Zwischen den Bergen im südlichen Missouri, fernab der Metropolen, wirken die Vereinigten Staaten wie das Land der begrenzten Möglichkeiten. Ein zäher Existenzkampf bestimmt das tägliche Leben. Ree Dolly ist ständig auf der Suche: zuerst nach etwas Essbarem im Kühlschrank, dann nach ihrem Vater. Der war im Gefängnis, hat Haus und Grundstück, auf dem seine verbliebene Familie noch lebt, als Kaution für seine Freilassung verpfändet. Weil er nicht zu seinem Gerichtstermin erschienen ist, droht Ree, ihrer lethargischen Mutter und den kleineren Geschwistern, nun der Rauswurf. Alles hängt an Ree, der 17-jährigen Tochter, und der Frage, ob sie ihren Vater finden kann - egal ob lebendig oder tot.
Sonntag, 17. Februar, 17.30 Uhr
MOARTEA DOMNULUI LĂZĂRESCU
DER TOD DES HERRN LAZARESCU
ROM 2005; 153 min; OmeU; 35mm; FSK 16; R: Christi Puiu; B: Christi Puiu, Razvan Radulescu; K: Oleg Mutu, Andrei Butica; D: Ion Fiscuteanu, Luminita Gheorghiu, Anca Puiu, Doru Ana, Monica Bîrlădeanu u.a.
Puius Nachfolgefilm weist diese Merkmale realistischer Erzählung auf, doch die Geschichte des von plötzlichen Magenschmerzen geplagten älteren Mannes, der allein in einem Wohnhausblock wohnt und den wir auf seiner Odyssee von einem Krankenhaus zum nächsten begleiten, offenbart auch deutliche Unterschiede. So weitet sich die Perspektive auf und die Einsicht in seine Figur mit dem Fortschreiten der Handlung auf ein ganzes Ensemble an Figuren aus.
Mittwoch, 20. Februar, 20 Uhr
SANS TOIT NI LOI
VOGELFREI
F 1985; 100 min; DF; 35mm; FSK 12; R/B: Agnès Varda; K: Patrick BlossierD: Sandrine Bonnaire, Macha Méril, Stéphane Freiss, Yolande Moreau u.a.
Ein Feldarbeiter entdeckt an einem Wintertag die Leiche einer jungen Frau. Ihr Körper lässt darauf schließen, dass sie erfroren ist, ihre Kleidung darauf, dass sie obdachlos war - vogelfrei. Diese Figur mit dem Namen Mona, deren ökonomisch und sozial prekärer Status das Schicksal von Vielen zu verbildlichen scheint, die ausgestoßen an den Rändern der Gesellschaft leben, wird zum Spiegel derer, denen sie im Verlauf des Films begegnet.
Sonntag, 24. Februar, 15 Uhr
DIE VERRUFENEN
D 1925; 113 min; dt. Zwischentitel; digitalDCP; ab 18; R/B: Gerhard Lamprecht; K: Karl Hasselmann; D: Bernhard Goetzke, Aud Egede-Nissen, Mady Christians, Arthuer Bergen u.a.
Im Zentrum der Handlung von Gerhard Lamprechts DIE VERRUFENEN steht Robert Kramer, der aus dem Gefängnis entlassen wird und versucht, ins bürgerliche Leben zurückzufinden. Doch er muss feststellen, dass er nicht nur seine Arbeit, sondern auch seine Verlobte verloren hat. Voller Verzweiflung möchte er sich das Leben nehmen, wird aber von der Prostituierten Emma gerettet. Bei ihr findet er Unterschlupf und endlich scheint sein Leben eine gute Wendung zu nehmen.
Sonntag, 24. Februar, 17.30 Uhr
SEHNSUCHT
D 2006; 88 min; DF; 35mm; FSK 12; R/B: Valeska Grisebach; K: Bernhard Keller; D: Andreas Müller, Ilka Welz, Anett Dornbusch u.a.
Markus und Ella kennen und lieben sich schon ihr ganzes Leben lang. Er ist Schlosser und bei der freiwilligen Feuerwehr, sie ist zuhause und singt nachmittags im Frauenchor. Ab und zu macht die Feuerwehr Ausflüge in die nächstgrößere Stadt - inklusive feucht fröhlichem Beisammensein unter Männern. Und wie das eben so ist, gibt es am Morgen danach ein böses Erwachen. Statt Ella liegt plötzlich die Kellnerin Rose neben Markus. Er ist zuerst verwirrt, lässt sich aber auf die Affäre ein. Von da an gibt es zwei Frauen in seinem Leben, beide sind ihm wichtig, beide antworten auf seine Sehnsucht und sind selbst von ihr erfüllt.