Rachel Salamander mit dem Heine-Preis 2020 ausgezeichnet
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Rachel Salamander: "Was Heine nicht mehr lebte, literarisierte er. Ein Hauch von Wehmut schwebt auch deswegen über der Prinzessin Sabbat. Ihm, dem die jüdische Lebenswelt abhanden gekommen war, wurde sie zu Literatur: Was sich nicht an Judentum leben lässt, wird im Text lebendig. Viele nach ihm werden so verfahren."
Laudator Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: "Rachel Salamander war und ist eine der bedeutendsten Ermöglicherinnen des deutschen Geisteslebens der letzten Jahrzehnte. Ihr erfolgreiches Wirken besteht vor allem darin, dass sie bei allem, was sie tut, nie ihre eigene Person in den Mittelpunkt stellt, sondern immer andere zur Wirkung bringt."
"Mit Rachel Salamander zeichnet die Landeshauptstadt Düsseldorf eine engagierte und herausragende Persönlichkeit mit dem Heine-Preis 2020 aus", so Stephan Keller, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf. "Als Literaturwissenschaftlerin und Publizistin hat Rachel Salamander maßgeblich zum Wiederaufbau des jüdischen intellektuellen Lebens nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland beigetragen. Ihr Mittel dazu war die Gründung ihrer Literaturhandlung mit jüdischer Literatur und Literatur zum Judentum. Sie lud die Menschen ein, sich mit den Werken der einstmals verfemten Autorinnen und Autoren zu beschäftigen und ihr gelang es, diese so in den Kanon der deutschen Literatur zurückzuholen."
In diesem Jahr konnte die Verleihung zusätzlich über einen Livestream verfolgt werden. Hintergrund war, dass aufgrund der Pandemie-Lage der Festakt mit einer begrenzten Gästeanzahl geplant wurde. Um dennoch allen Interessierten eine - zumindest digitale - Teilnahme zu ermöglichen, wurde in diesem Jahr der Livestream angeboten.
Bereits am Freitag, 27. August, hatte sich Rachel Salamander im Düsseldorfer Rathaus in das Goldene Buch der Landeshauptstadt Düsseldorf eingetragen. Zuvor besuchte sie im Rahmen eines Pressegesprächs das Heinrich-Heine-Institut. Das Heinrich-Heine-Institut ist ein Zentrum der internationalen Heine-Forschung und präsentiert die weltweit einzige Dauerausstellung zum Leben und Werk des Dichters.
Begründung der Heine-Preis-Jury
Die Heine-Preis-Jury begründete ihre Entscheidung für Rachel Salamander wie folgt: "Der Heine-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf 2020 wird an Rachel Salamander verliehen. Die Literaturwissenschaftlerin und Publizistin hat couragiert maßgeblich zum Wiederaufbau des jüdischen intellektuellen Lebens nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland beigetragen. Als Unternehmerin holte sie mit ihren Literaturhandlungen all die jüdischen Autorinnen und Autoren, deren Bücher einst verbrannt worden waren, in den Kanon deutscher Literatur zurück. In Zeitungen und Zeitschriften diskutiert sie öffentlichkeitswirksam über die Bedeutung von Literatur und setzt sich ganz im Sinne Heinrich Heines für Völkerverständigung und gegen Antisemitismus ein."
Preisträgerin Rachel Salamander- Kurzvita
Rachel Salamander wird am 30. Januar 1949 in einem "Displaced Persons Camp" (DP-Camp) im bayerischen Deggendorf geboren. Sie ist das zweite Kind von Rywa und Samuel Salamander, die den Holocaust in der Sowjetunion überlebt haben. Rywa Salamander stirbt bereits 1953. Der Vater Samuel lebt mit den beiden Kindern bis 1956 im letzten "DP-Camp" in Föhrenwald und anschließend in München.
Ihr Bildungsweg führt Rachel Salamander zu einem Studium der Germanistik, Philosophie und Romanistik an der Ludwig-Maximilian-Universität München. In das Zentrum ihres wissenschaftlichen Interesses rückt sie bereits früh deutsch-jüdische Literatur sowie Geschichte. Sie setzt anschließend ihre akademische Laufbahn fort und promoviert in der Fachdisziplin Germanistik.
1982 eröffnet Rachel Salamander eine Fachbuchhandlung für Literatur zum Judentum in der Münchner Maxvorstadt, nahe der Universität. Hiermit konnte sich seit der Zeit des Nationalsozialismus erstmals wieder eine Fachbuchhandlung zum Judentum etablieren, deren umfangreiches Veranstaltungsprogramm auch diskursprägend ist. Das Stammhaus der "Literaturhandlung" ist inzwischen fester Bestandteil des Jüdischen Museums München. Hinzukommen weitere Niederlassungen in anderen deutschen Städten.
Rachel Salamander ist ab 2001 fast zwölf Jahre lang Herausgeberin der Literaturbeilage der WELT ("Literarische Welt"). 2013/14 ist sie für die Frankfurter Allgemeine Zeitung in der Literaturredaktion tätig und leitet dort das neu geschaffene "F.A.Z.-Literaturforum". Zudem führt sie die Frankfurter Anthologie nach dem Tod von Marcel Reich-Ranicki in veränderter Form fort.
Seit 2015 ist Rachel Salamander Aufsichtsratsmitglied im Suhrkamp Verlag.
Für ihr Schaffen wird Rachel Salamander mehrfach ausgezeichnet. So erhält sie unter anderem 1999 den Kulturellen Ehrenpreis der Stadt München, in den Jahren 2000 und 2009 Bundesverdienstkreuze. 2004 wird ihr der Bayerische Verdienstorden verliehen, 2013 der Schillerpreis. Seit 2019 ist sie zudem Ehrenbürgerin der Stadt München.
Heine-Preis - bisherige Preisträger und Jury
Der Heine-Preis zählt zu den bedeutendsten Literatur- und Persönlichkeitspreisen in Deutschland und wird seit 1972 verliehen; er ist mit 50.000 Euro dotiert. Der Preis wird durch die vom Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf eingesetzte Jury "an Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr geistiges Schaffen im Sinne der Grundrechte des Menschen, für die sich Heinrich Heine eingesetzt hat, den sozialen und politischen Fortschritt fördern, der Völkerverständigung dienen oder die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen verbreiten".
Der Preis, den Düsseldorf als Vaterstadt zu Ehren des 1797 geborenen Heinrich Heine gestiftet hat, wird zum 22. Mal vergeben. Bisherige Heine-Preisträger sind: Carl Zuckmayer (1972), Pierre Bertaux (1975), Sebastian Haffner (1978), Walter Jens (1981), Carl Friedrich von Weizsäcker (1983), Günter Kunert (1985), Marion Gräfin Dönhoff (1988), Max Frisch (1989), Richard von Weizsäcker (1991), Wolf Biermann (1993), Wladyslaw Bartoszewski (1996), Hans Magnus Enzensberger (1998), W.G. Sebald (2000), Elfriede Jelinek (2002), Robert Gernhardt (2004), Amos Oz (2008), Simone Veil (2010), Jürgen Habermas (2012), Alexander Kluge (2014), A. L. Kennedy (2016) und Prof. Dr. Leoluca Orlando (2018).
Der Heine-Preis-Jury 2020 gehörten an
als Vertreter der Landeshauptstadt Düsseldorf:
Thomas Geisel (Oberbürgermeister a.D./Vorsitzender der Jury),
Hans-Georg Lohe (Kulturdezernent),
Dr. Sabine Brenner-Wilczek (Direktorin des Heinrich-Heine-Instituts),
als Vertreter der Fraktionen:
Dr. Veronika Dübgen (FDP),
Georg Blanchard (Die Linke),
Cornelia Mohrs (SPD),
Dr. Susanne Schwabach-Albrecht (CDU),
Karin Trepke (Bündnis 90/Die Grünen),
als Fachjuroren:
Dr. Traudl Bünger (Köln, Autorin, Moderatorin),
Reinhard Gorenflos (München, Kuratoriumsmitglied Stiftung Lyrik Kabinett a.D.),
Jochen Hieber (Frankfurt, Autor und Journalist),
Dr. Florian Höllerer (Berlin, Leiter Literarisches Colloquium Berlin),
Dr. Wolfgang Trautwein (Berlin, Archivdirektor a.D. der Akademie der Künste),
als entsandte Mitglieder:
Felix Droste (Verleger, 1. Vorsitzender der Heine-Gesellschaft),
Prof. Dr. Anja Steinbeck (Rektorin der Heinrich-Heine-Universität).
Hinweis: Die Jury-Mitglieder Dr. Veronika Dübgen (FDP) und Dr. Wolfgang Trautwein (Berlin, Archivdirektor a.D. der Akademie der Künste) waren terminlich verhindert und konnten an der Sitzung nicht teilnehmen.
Weitere Informationen
Die Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ist online unter www.bundespraesident.de/DE/Bundespraesident/Reden-und-Interviews/Reden/reden-node.html zu finden.