Stop Mutilation

Stop Mutilation

Als Female Genital Mutilation, im Folgendem FGM abgekürzt, oder Weibliche Genitalverstümmelung bezeichnet man jede nicht medizinisch notwendige Verletzung der weiblichen Genitalien. Mit der Beschneidung der Penisvorhaut bei Jungen ist FGM nicht zu vergleichen, da hier das Sexualorgan selbst verletzt wird; der Begriff weibliche Beschneidung ist darum ambivalent: einerseits lehnen Aktivistinnen und Aktivisten den Begriff als beschönigend ab, andererseits kann er aber in der Arbeit mit Betroffenen verwendet werden, die sich durch eine Bezeichnung als "verstümmelt" in eine Rolle als defizitär und als Opfer gedrängt fühlen.

 FGM kann in vielen Formen auftreten, die von der Weltgesundheitsorganisation grob in vier Typen unterteilt werden. (vgl. Quelle 1) Zumeist führen ältere Frauen, professionelle Beschneiderinnen oder Geburtshelferinnen die höchst riskante Prozedur aus. Nicht nur das Infektionsrisiko ist direkt nach der Durchführung extrem hoch, FGM hat auch schwere physische wie psychische Langzeitfolgen. (vgl. Quelle 2)

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Über 125 Millionen Mädchen und Frauen sind weltweit von FGM betroffen. (vgl. Quelle 1) Die Prozedur kann kurz nach der Geburt, in der Kindheit, der Pubertät oder auch noch nach der ersten Entbindung durchgeführt werden. FGM konzentriert sich in 29 afrikanischen Ländern, die meisten südlich der Sahara, und kommt vereinzelt in anderen Regionen wie etwa in Indien vor. Durch Migration leben aber in allen Teilen der Welt heute Mädchen und Frauen, die von FGM betroffen oder bedroht sind, auch in Amerika und Europa.

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Die Frage nach den Gründen für FGM ist ebenso dringlich wie schwierig zu beantworten. Entgegen einer intuitiven Assoziation sind die Gründe nicht in der Religion zu suchen, sondern FGM kommt in christlichen und muslimischen Gruppen ebenso vor wie in solchen mit einer anderen Religion. Den Ursprung weiblicher Genitalverstümmelung vermutet man in Ägypten, wo eine Beschneidungsdarstellung aus dem Tempel von Karnak (Luxor) von 1350 v. Chr. womöglich (aber nicht sicher) einen Jungen und ein Mädchen zeigt. Aber auch der griechischen und römischen Antike und im Europa der Frühen Neuzeit gibt es Belege dafür, dass FGM als Mittel gegen übersteigerte Formen der Sexualität (zu denen auch homosexueller Sex und Masturbation gehören können) oder eine zu große Klitoris für medizinisch angemessen gehalten wurde. (vgl. Quelle 2, S. 13-27.) Noch im England des 19. Jahrhunderts vertrat der angesehene Pionier der Gynäkologie Dr. Isaac Brown die Ansicht, dass die operative Entfernung der Klitoris (mittlerweile durch Anästhetika begleitet) ein Heilmittel für psychische Krankheiten (wie Hysterie, Epilepsie und Nymphomanie) bei Frauen dienen könne. (vgl. Quelle 3)

Bei FGM in Familien Afrikas wie in Europa spielt heute der Faktor der gesellschaftlichen Akzeptanz eine große Rolle, da Frauen, die FGM nicht durchlaufen haben, leicht Zielscheibe von gesellschaftlicher Ausgrenzung und Stigmatisierung werden. Auch die starke Tradition hat sehr großes Gewicht, einerseits als Argument für die Praxis, andererseits auch in der Form, dass die Generation der Großeltern Druck auf die gegebenenfalls gegen FGM eingestellte Elterngeneration ausübt. Andere Gründe sind Vorstellungen von Ästhetik und Reinheit sowie Gesundheit (z.B. in Form der Idee, dass eine nicht verstümmelte Frau eine krankhaft promiske, unkontrollierbare Sexualität entwickelt). FGM kann auch eine Form der Initiation sein und nimmt als solche in vielen Fällen einen zentralen Platz in Ritualen ein. Aktivistinnen und Aktivisten gegen FGM verfolgen aus diesem Grund unter Anderem den sogenannten "Alternative Rite Approach", der FGM als zentralen Bestandteil von Ritualen durch etwas Anderes ersetzen soll.

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Auch in Deutschland ist FGM ein Problem. Töchter aus Familien mit Migrationshintergrund, in deren Herkunftsland die Praxis üblich ist, werden entweder in Deutschland verstümmelt oder mit der Absicht in das Herkunftsland gebracht, FGM dort durchführen zu lassen. Auch wenn die Eltern gegen FGM sind, besteht eine große Gefahr, dass die Tochter bei einer Reise nach Afrika von Anderen der Verstümmelung unterzogen wird. Genaue Zahlen über die Betroffenen sind nicht erhoben worden, sondern Schätzungen müssen auf Hochrechnungen von Migrantinnenzahlen und Betroffenheitsrate in den Herkunftsländern beruhen; solche Schätzungen z. B. von Terre des Femmes ergeben Werte von 25.000 bis 30.000 betroffenen oder bedrohten Personen. Für die Betroffenen ist es besonders wichtig, dass medizinisches Personal die richtige Sensibilisierung für den Umgang mit dem Problem besitzt. (vgl. Quelle 4)

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Spätestens seit dem Kinofilm "Wüstenblume" wissen wir, dass das Thema FGM eine Öffentlichkeit besitzt und es Organisationen wie die Desert Flower Foundation gibt, die gegen Weibliche Genitalverstümmelung arbeiten. Einen guten Überblick über die Organisationen gibt die Internetseite der Kampage "Stop FGM now". In Düsseldorf gibt es seit vielen Jahren die Beratungsstelle "stop mutilation e. V." Beratungsstelle in Düsseldorf

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1. Fact Sheet der Weltgesundheitsorganisation zum Thema FGM (en) Stand: 03.02.2015 

2. Lucia Marianne Hanslmaier: Die Problematik der weiblichen Genitalverstümmelung in Europa. Diplomarbeit, Universität Wien 2008 Stand: 03.02.2015, S. 49-62
3. Isaac Brown: On the curability of certain forms of insanity, epilepsy, catalepsy, and hysteria in females. London: Hartwick (1866) Stand: 03.02.2015

4. Studie "Schnitte in Körper und Seele" Stand: 04.02.2015

Terre des Femmes

UNICEF-Studie zu FGM