Stellungnahme zum Thema Prostitution/Sexarbeit
Die Frage der Regulierung bzw. des Verbotes von Prostitution/Sexarbeit wird schon länger in Gesellschaft und Politik kontrovers diskutiert.
Grundvoraussetzung für eine Diskussion über die Regulierung bzw. über ein Verbot von Prostitution/Sexarbeit ist eine Differenzierung zwischen den Themenbereichen Prostitution/Sexarbeit einerseits und Zwangsprostitution andererseits, die als eine Form des Menschhandels separat zu betrachten ist.
Anders als Prostitution/Sexarbeit, die auf legalem Weg und freiwillig erfolgen kann, erfüllt Zwangsprostitution als eine Form des Menschenhandels den Straftatbestand nach §§ 232, 232a Strafgesetzbuch (StGB) und ist damit verboten.
Das seit 2002 bestehende Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (ProstG) ermöglicht unter anderem die Einklagbarkeit des Lohns. Mitte 2017 trat das Gesetz zum Schutz der in der Prostitution tätigen Personen (ProstSchG) in Kraft, das den Schutz vor Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel zum Ziel hat. Es beinhaltet sowohl Beratungspflichten für die Menschen in der Prostitution selbst, als auch Pflichten für Betreibende von Prostitutionsstätten.
Auch wenn Prostitution/Sexarbeit durchaus ambivalent betrachtet werden muss, hat sich gezeigt, dass sich Verbote in diesem Kontext nicht erfolgreich umsetzen lassen. So wird sowohl in Schweden wie auch in anderen Ländern, in denen ein Sexkaufverbot (das so genannte Nordische Modell) gilt, darüber debattiert, ob dieses Verbot wirklich sein Ziel erreicht oder ob Prostitution nicht lediglich in die Illegalität verdrängt und somit unsichtbarer wird.
Einen systematischen Blick auf die internationale Datenlage zu der Frage nach den Auswirkungen von Verboten auf die Gesundheit und Sicherheit von Prostituierten wirft eine Metastudie einer Forschungsgruppe aus vier Universitäten aus dem Jahr 2018: Es wurden über 100 qualitative und quantitative Studien aus den Jahren 1990 bis 2018 ausgewertet. In den qualitativen Studien zeigt sich, dass repressive Gesetzgebung oder Praxis, sei es ein Verbot der Prostitution insgesamt oder der Nachfrage, Prostituierte* an isolierte, schwer kontrollierbare Arbeitsorte drängt, gegenseitige Unterstützung erschwert und ihre Möglichkeiten reduziert, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Ihr Zugang zu Gesundheits- und Sozialberatung sowie zu Polizei und Justiz wird erschwert. Die Auswirkungen verstärken bestehende Ungleichheiten zwischen Prostituiertengruppen und treffen insbesondere Migrantinnen*, Transgender und drogengebrauchende Prostituierte*. Metaanalysen aus quantitativen Studien zeigen, dass jede Form von Verboten mit einem zweifach erhöhten Risiko einer sexuell übertragbaren Krankheit zusammenhängt. Darüber hinaus steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Prostituierte* da, wo es Verbote gibt, Opfer* von sexueller und körperlicher Gewalt werden. (Platt, Lucy; Grenfell, Pippa; Meiksin, Rebecca et al. (2018): Associations between sexwork laws and sexworkers’ health: A systematic review and meta-analysis of quantitative and qualitative studies. In: PLOS Med 15(12): e1002680, S. 1-54. Entnommen aus: „Prostitution und Sexkaufverbot“, Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Aktuell 17.10.2019.)
Die Gesetze, die bisher zur Regulierung der Prostitution in Deutschland eingeführt worden sind, haben den erwünschten Effekt, nämlich einen umfangreicheren Schutz der Prostituierten*, nicht erzielt. So hat z.B. die wissenschaftliche Entwicklungsbeobachtung zum Prostituiertenschutzgesetzt (ProstSchG) durch die Kommunikations- und Beratungsstelle für Prostituierte und Frauen in prekären Lebenslagen (KOBER) Dortmund u.a. aufgezeigt, dass das grundsätzliche Ziel, Sexarbeiter*innen vor ausbeuterischen Strukturen zu schützen, nicht erreicht wurde. Besonders die Gruppen der Armuts- und Beschaffungsprostituierten* scheinen durch die Auflagen, die mit dem ProstSchG einhergehen, nicht ausreichend geschützt. (Degenhardt, Tamara, Lintzen, Laura-Maria (2019): Auswirkungen des Prostituiertenschutzgesetzes auf die Prostitutionsszene in NRW; Zweite korrigierte Fassung (https://www.kober-do.de/2019/05/15/auswirkungen-des-prostituiertenschutzgesetzes-auf-die-prostitutionsszene-in-nrw/); zuletzt abgerufen 18.11.2020)
Besonders aus gleichstellungspolitischer Perspektive ist es notwendig, individuelle Entscheidungen von Frauen* grundsätzlich zu respektieren sowie ihre Autonomie und Selbstbestimmungsrechte zu stärken.
Die sexuelle Selbstbestimmung, die soziale Absicherung und die Rahmenbedingungen der Prostitution verbessern sich jedenfalls nicht durch Verbote. Eine kritische Haltung zum Prostitutionsverbot sowie zum Sexkaufverbot (Nordisches Modell) bedeutet nicht, für Ausbeutung von Prostituierten* und insbesondere Frauen* oder gegen ihre sexuelle Selbstbestimmung einzutreten – ganz im Gegenteil.
Die Expert*innen, die am Runden Tisch Prostitution Düsseldorf vertreten sind, berichten, dass es wichtig ist, Prostituierte* bei ihren alltäglichen Schwierigkeiten zu unterstützen und Perspektiven aufzuzeigen. Konkrete und möglichst niedrigschwellige Beratungs- Unterstützungs- und Ausstiegsangebote für Sexarbeiter*innen sowie regelmäßige Kontakte ins Milieu durch aufsuchende Arbeit sind erforderlich. Im Rahmen dieser unterstützenden Arbeit können Prozesse entstehen, die zu einem späteren Zeitpunkt zum Ausstieg führen können. Dieser niedrigschwellige, wertschätzende, akzeptierende und ergebnisoffene Ansatz wird vom Runden Tisch Prostitution Düsseldorf unterstützt.