Europäische Fayencen

 Der Begriff Fayence

Als Fayence bezeichnet man ein spezielles keramisches Material, das in Europa aus einer alten islamischen Technik entwickelt wurde. Bereits im 10. Jahrhundert vom Vorderen Orient über Nordafrika kommend, gelangte es zuerst nach Spanien. Über Italien nahm die Fayence ihren Weg nach Frankreich, kam nach Nevers und Rouen. Die ersten deutschen Manufakturen entstanden in Frankfurt, Hanau und Berlin. Die Fayence ist in Europa entstanden. Im südeuropäischen Raum wird die Fayence mit einer Scharffeuerbemalung auch als Majolika bezeichnet.  Die Fayence ist eine Irdenware mit spezieller Glasur und wurde wie folgt hergestellt: Nach dem Trocknen erfolgt ein Schrühbrand bei 800°. Anschließend werden die Stücke mit einer weißbrennenden Zinnglasur versehen und mit Scharffeuerfarben bemalt. Mit Schwachfeuer oder Muffelfarben kann nun die Bemalung vorgenommen werden, die in einem dritten Brand bei 720 - 860 fixiert wird. Während der Experimente mit unterschiedlichen Brenntemperaturen gelangen eindrucksvolle Oberflächenbearbeitungen.



Deutschland

Die älteste deutsche Fayencemanufaktur wurde 1661 in Hanau gegründet und kurz darauf folgte 1666 Frankfurt am Main. Bei beiden Gründungen konnten die Kenntnisse niederländischer Fachleute genutzt werden. Wie bei weiteren Manufakturgründungen im gesamten deutschen Raum, waren die Erzeugnisse deutlich durch niederländische Einflüsse  - sowohl in Farbgebung als auch in den Formen - gekennzeichnet. Die Chinoiserien, für die ganz Europa eine Vorliebe hatte, sind ebenfalls durch die Niederländer und ihre Handelsbeziehungen mit Ostasien nach Deutschland gelangt und nahmen bei der Gestaltung der Fayencen einen breiten Raum ein. 

Während bei der Hanauer Manufaktur festgefügte Blumensträuße das Bild prägen, zeigen die Frankfurter Arbeiten Wappen oder ganze Bildfelder in Blaumalerei oder mehrfarbig in Manganviolett, Gelb und Grün. Die bedeutenden süddeutschen Manufakturen entstanden in der Zeit zwischen 1710 und 1720 in Ansbach, Bayreuth und Crailsheim, die so genannten ABC-Manufakturen. Jede Manufaktur ist durch eigene Stilmerkmale gekenn-zeichnet. Während bei der Ansbacher Manufaktur die Grüne Familie hervorzuheben ist - eine Orientierung am gleichnamigen chinesischen Porzellandekor - besticht Bayreuth durch feine Blaumalerei. Die Crailsheimer Fayencen weisen in der so genannten Gelben Familie eine spezielle Art Blumenmalerei auf.    

Eine der kleinsten und kurzlebigsten deutschen Manufakturen ist Künersberg, die nur von 1745 bis 1760 bestand. Die dort geschaffenen Fayencen zählen allerdings zu den schönsten des 18. Jahrhunderts. Auffallend sind die eleganten Formen und die ausgezeichnete, oft porzellanartig glatt wirkende, weiße Glasur. Um die weiße Fläche zur Geltung zu bringen, ist die Bemalung in der Regel recht sparsam. Bevorzugt werden deutsche Blumen, seltener ostasiatische. Eine Eigenart, die die Fayence wie Porzellan erscheinen lässt, besteht in Dekoren mit Chinoiserien und sehr feiner Goldmalerei.


Frankreich

Italienische Einflüsse sind auch in der frühen französischen Fayence nicht zu leugnen. Die Werkstatt Masséot Albaquesne in Rouen stellte Apothekergefäße her, die so genannten Albarelli, die bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts einen eigenen Stil im Dekor aufwiesen.
Neben Rouen im 16. Jahrhundert, sind Nevers, Marseille und Moustiers seit dem 17. Jahrhundert als Zentren der französischen Fayenceherstellung bekannt. Mit diesen Neugründungen ging der italienische Einfluss fast gänzlich zurück. Die Vorliebe für Chinoiserien trat gleichberechtigt neben eine regionale Art des Dekors, sowie die Blaumalerei, die bereits durch die Delfter Fayencen aus den Niederlanden bekannt war. Rouen ist in der Meisterschaft und Vielfalt stilbildend. Berühmt wird ein fein gemaltes Spitzenmuster und ein Strahlendekor in Blau und erstmals in Scharffeuer-Rot.

Der Niello-Dekor, eine schwarze Zeichnung auf ockergelbem Grund, stammt ebenfalls aus Rouen. Die Leuchtkraft der verwendeten Farben, die Gestaltung neuer Formen ließ eine eindrucksvolle Palette sowohl großformatiger Wandplatten und Schalen als auch zierliche Gefäßformen entstehen. Im 18. Jahrhundert nimmt die Vielfarbigkeit in den zahlreichen französischen Manufakturen zu. In Straßburg und Marseille  entstehen großformatige ovale Platten sowie Tischbrunnen und Tafelgeschirr in Tierformen. Nach der Erfindung des Porzellans in Europa  kam es gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu einem Niedergang der überaus zahlreichen Fayence-Manufakturen.


Italien

Die Anfänge der europäischen Fayence liegen in Spanien und in Italien. Man kann davon ausgehen, dass die italienische Fayence nicht nur von Spanien - zumindest in den Anfängen - starke Impulse bekam, sondern ebenfalls unmittelbar aus dem Vorderen Orient. Bereits im 15. Jahrhundert schuf Italien eine eigene Art der Fayence, die allgemein italienische Majolika genannt wird. Frühe Herstellungsorte waren Faenza und Florenz. Im 16. Jahrhundert kamen Deruta und Castel Durante hinzu. Trotz regionaler Unterschiede hat die italienische Fayence ein eigenes Gesicht. Eine Besonderheit findet sich bei der aus der Werkstatt Giorgio Andreoli. Er erfand die Lüsterfarbe, insbesondere das Lüsterrot. Diese Farbe war derart auffallend und beliebt, dass andere Werkstätten dieses Rot hier hinzufügen ließen.

Die Majolika der Renaissance machte die Keramik zum ersten Mal seit der Antike wieder zum Bildträger. Die Bildteller - Istoriati - gelten als berühmtes Beispiel. Darstellungen aus der antiken Mythologie oder der Bibel wurden von bedeutenden Künstlern der Renaissance ausgeführt. Meistens überzogen die Motive den gesamten Teller.


Niederlande

Bereits im 16. Jahrhundert brachten italienische Töpfer die Fayencetechnik in die südlichen Niederlande. Eine Fliese, datiert von 1547, ist das älteste Zeugnis einer niederländischen Fayence. Um 1570 wurden Apothekergefäße in Middelburg hergestellt. Etwa um diese Zeit zogen protestantische Keramiker von Antwerpen nach Norden; Rotterdam und Haarlem wurden Hauptorte der Fayenceherstellung. Das Erscheinungsbild der niederländischen Fayencen zeigt entweder italienische Einflüsse oder eigene Formen in bäuerlicher Art. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war Delft ein weiteres Zentrum der Fayenceherstellung. Hier wurden sowohl Fliesen hergestellt, als auch eine umfängliche Gefäßproduktion in Gang gebracht. Bestimmend waren neben dem Blau-Weiß-Delft ostasiatische Einflüsse und einheimische Dekore, auch in Buntfarben.
Das 18. Jahrhundert war nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in weiten Teilen Europas das Jahrhundert der Volkskunst. Kleinplastiken wie der Fassreiter oder die kaltbemalten Delfter Reiter belegen dies.


Spanien

Seit Beginn der Produktion ist bei der spanisch-maurischen Fayence der Lüsterdekor  charakteristisch und herausragend entwickelt. Die Technik des Lüsterdekors - eine metallisch schimmernde Glasur auf Keramik -  war im 9. Jahrhundert in Fostat, Ägypten und im persisch-syrischen Raum bekannt. Im 13. Jahrhundert erreichte die Kenntnis des komplizierten Herstellungsprozesses Spanien, wo sie mit Manises, Aragon und vor allem mit Malaga in Verbindung gebracht wird. Insbesondere in Malaga gelangte die Lüstertechnik zu hoher Kunstfertigkeit. Später wurde sie ausgiebig in Italien bei der Majolika-Herstellung verwandt. Kleinteilige Ornamentik, vielfach mit Wappen ausgestattet, sowie eine radiale Anordnung meist arabischer Motive, zeigen deutlich den Einfluss islamischer Keramik.

Die schimmernde Optik der Oberfläche wird durch die für Lüsterkeramik typische Verwendung von Metalloxyden erzeugt. Der messingartige, warme Gelbton des Untergrundes entsteht beispielsweise durch die Mischung einer Silberverbindung mit feinem Ocker. Da die Methode mit Silbernitraten zu arbeiten recht kostspielig war,  verbreitete sich nach und nach die Anwendung von Kupfer, die einen rötlichen Ton hervorbrachte.