Seelengefäß, Grenzgebiet Nigeria/Kamerun, Anfang 20. Jh. Foto: Horst Kolberg, Neuss

Keramik aus Afrika

Das westliche Afrika blickt auf eine lange Geschichte der Menschheit und deren Kultur zurück. Bis heute ist die Region ein Schmelztiegel verschiedener Ethnien, die im Norden von der Sahara und dem Atlantik im Süden und Westen begrenzt wird. Sie verbindet verschiedene Klimazonen vom Regenwald über die Savanne bis hin zur Wüste. Gemeinsam war den Ethnien die Ausübung des Töpferhandwerks, das von Generation zu Generation fast ausnahmslos von Frauen weitergegeben wird.

In erster Linie für den eigenen Bedarf, aber auch für den Handel auf lokalen Märkten, stellten die Ethnien handwerkliche Produkte her. Die Männer übten oftmals das Schmiedehandwerk und die Schnitzkunst aus, während den Frauen dieser Handwerker oder einer Frauengruppe innerhalb der Ethnie das Töpferhandwerk vorbehalten war. Bereits die kleinen Töchter wurden spielerisch an die Verarbeitung des Tons herangeführt und formten Miniaturgefäße. Vom Abbau des Tons bis zum Brennvorgang in der Trockenzeit lag der gesamte Herstellungsprozess in Hand der Töpferin, die dank zunehmender Erfahrung immer kompliziertere Formen töpfern oder sich auf figürliche Gefäße spezialisieren konnte. Traditionell wurde für die Produktion keine Töpferscheibe genutzt. Die Keramik wurde individuell auf die Bedürfnisse angepasst: zum Bierbrauen, für Honigwein, als Wassertransportgefäß mit flachem Boden oder für die Verwendung in einem sakralen Kontext. Die Verzierungen und die Farbe der Gefäße wurden mit Naturmaterialien und einem färbenden Sud aus Rinde oder Blättern in der Stilrichtung und Dekorationsform der jeweiligen Ethnie erzeugt.

Der mythologische Ursprung der Töpferei wird oft mit der Erde, aus der der Ton geborgen wird, in Verbindung gebracht. Iya Mapo, eine Muttergottheit der Yoruba in Nigeria, gilt als Schutzgöttin der Töpferinnen und soll alle Frauenhandwerke eingeführt haben. Sie wird daher auch als die „stille Mutter der schweigenden Erde“ bezeichnet. 

In Westafrika finden sich über zweihundert eigene Stile und Merkmale im Töpferhandwerk, die das jeweilige kulturelle Verständnis einer Ethnie ausdrücken. Bei figürlichen Darstellungen können beispielsweise Narbentatauierungen auf der Haut als Körperschmuck angegeben sein, der sich je nach Region unterscheidet. Kennzeichnend ist eine Sicherheit in der Formgebung und im Schmuck der Gefäße. Die figürlichen Keramiken sind vor dem Hintergrund der jeweiligen Mythen und deren mündlichen Überlieferungen zu verstehen.
Die Keramik begleitet die Ethnien ihr ganzes Leben lang und über den Tod hinaus: In der Region Ashanti werden beispielsweise Seelengefäße für die Verstorbenen königlicher Familien angefertigt und bei den Dakakari wachen Tonplastiken in Form von Mischwesen aus Elefant und Fledermaus an den Gräbern. Die figürlichen Darstellungen und Appliken an den Gefäßen stellen oftmals Tiere dar, die für die Kultur von symbolischem Wert sind. So steht die oft abgebildete Eidechse für das Leben in all seinen Schattierungen und der Frosch für Wasser und der damit verbundenen Fruchtbarkeit. Seelengefäße, sogenannte abusua kuruwa aus Ashanti/Ghana können sogar ganze Sprichwörter symbolisch wiedergeben.