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"Darktown" von Thomas Mullen

Im Jahr 1948 müssen die allerersten afroamerikanischen Cops in der Polizeigeschichte der Stadt Atlanta, Georgia, nicht nur die Straßen der als Darktown verrufenen Schwarzenviertel patrouillieren, sondern auch gegen die gewalttätigen Übergriffe und ständige Diskriminierung ihrer weißen Kollegen im Polizeidezernat ankämpfen. Im Mittelpunkt von Thomas Mullens erstem Kriminalroman stehen auf der einen Seite die jungen Polizisten Lucius Boggs und Tommy Smith, die sich als sogenannte Negro-Cops auf die Suche nach dem Mörder einer jungen Frau machen, deren Leichnam auf einer Müllhalde in Darktown gefunden wurde. Auf der anderen Seite befinden sich der zur Gewalt neigende, korrupte weiße Cop Lionel Dunlow und sein engagierter jüngerer Partner Dennis Rakestraw, der sich zusehends von den rassistisch motivierten Attacken Dunlows abgestoßen fühlt.

Als Boggs und Smiths herausfinden, dass neben einem Ex-Polizisten auch ein beliebter US-Senator in den Mordfall verwickelt ist, stoßen sie auf eine Mauer des Schweigens im Polizeidezernat – eine Mauer, die ein Netz aus illegalem Alkoholhandel, Polizeikorruption und rassistischer Gewalt schützen soll und die sie nur mit Rakestraws anfangs zögerlicher Hilfe zum Einsturz bringen können. Mullens Roman liegen ausführliche Recherchen über die historische Entwicklung der Polizeiarbeit in den Südstaaten nach 1945 zugrunde. Es ist seinem erzählerischen Können zu verdanken, dass er dabei seine Krimihandlung nicht aus dem Blick verliert, die er schnörkellos und in der Tradition des Hardboiled-Detektivromans vorantreibt. Dank des ungeschönten Blicks auf die vielen Formen von Rassismus, denen sich Schwarze in den Südstaaten tagtäglich ausgesetzt sahen und die bis in die Strukturen der städtischen Polizei reichten, erschließt sich dem Leser die besondere Aktualität dieses Buches – 70 Jahre nach den hier beschriebenen Vorfällen, 50 Jahre nach den Errungenschaften der Civil Rights-Bewegung.

Darktown erschien auf Deutsch 2018 und ist der Auftakt einer Trilogie rund um den Polizeiapparat von Atlanta, im Jahr 2019 folgte Weißes Feuer und 2020 schließlich der letzte Teil Lange Nacht. In seiner unsentimentalen Beschreibung des strukturellen Rassismus in den Südstaaten entwickelt das Buch eine Wucht, die es literarisch in die Nähe von Colson Whiteheads Roman Die Nickel Boys bringt und an die Intensität von Greg Ilies‘ Natchez-Trilogie und James Lee Burkes wunderbaren Louisiana-Krimis rund um Dave Robicheaux heranreicht.

Die gesamte Trilogie befindet sich mit der Signatur Z Mullen (Krimi) in den Beständen der Stadtteilbüchereien Bilk, Rath, Wersten und in der Zentralbibliothek, der erste Band Darktown steht mit Ausnahme der Kinderbücherei Hassels in allen Zweigstellen. Die beiden letzten Bände sind auch über die onleihe ausleihbar.

David Cappel, scheidender Leiter der Stadtteilbücherei Wersten