Verehrt - Verfolgt - Vergessen: Joachim Gottschalk (1904-1941)

Eine Studio-Ausstellung der Herbert Ihering Gesellschaft im Theatermuseum Düsseldorf, 8.11.2011 - 11.03.2012

Eine erfolgreiche Karriere

Portrait Joachim Gottschalk mit Autogramm, Foto: Rolf von Barm, Ross-Verlag, o.J.

Eine erfolgreiche Karriere

Joachim Gottschalk wird am 10.4.1904 in Calau geboren. Nach dem Abitur fährt er mehrere Jahre zur See, ehe er 1926 beginnt, privaten Schauspielunterricht zu nehmen. 1927 erhält er sein erstes Engagement an der Württembergischen Volksbühne, einer in Stuttgart beheimateten Wanderbühne. Hier lernt er die Schauspielerin Meta Wolff kennen, sie heiraten 1930 in Halberstadt. Im Februar 1933, Gottschalk ist am Alten Theater in Leipzig engagiert, wird hier der Sohn Michael geboren. Nach der Geburt des Sohnes kann Meta Gottschalk schon nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten, da sie Jüdin ist.

Ab 1934 ist Joachim Gottschalk an den Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main engagiert. Er spielt dort mit großem Erfolg, auch bei den berühmten Römerberg-Festspielen. Ende 1937 setzt eine von der NSDAP gesteuerte Kampagne gegen den "jüdisch versippten" Künstler ein, die mit einer vorzeitigen Entlassung am Frankfurter Schauspiel endet. Durch Vermittlung der befreundeten Schauspielerin Ruth Hellberg fährt der Entlassene, der ohnehin nur mit einer jederzeit widerrufbaren Sondergenehmigung des Propagandaministeriums arbeiten kann, zu einem Gespräch mit Gustaf Gründgens nach Berlin. Als der Termin mit Gründgens, der vergleichbaren "Problemfällen" wie Paul Henckels und Theo Lingen an seinem Theater Schutz und Arbeit bietet, vertagt wird, geht Gottschalk zunächst zum Intendanten der Volksbühne Eugen Klöpfer, der mit dem hervorragenden Schauspieler sofort einen Vertrag abschließt. In der Reichshauptstadt wird Gottschalk schnell zum Publikumsliebling, nimmt erste Filmangebote an; seine Familie schirmt er vor der Öffentlichkeit behutsam ab. Die Filme sind durchweg erfolgreich, er spielt stets Hauptrollen, dreht mit Herta Feiler, Paula Wessely, Ilse Werner und viermal mit Brigitte Horney.

Diese Erfolge beim Film und auf der Bühne werden von den Nationalsozialisten argwöhnisch verfolgt. Die Mischehe eines derart prominenten Darstellers gilt als untragbar. Da er nicht den Schutz eines Intendanten wie dem einmaligen Gründgens genießt, legt man Gottschalk mehrmals die Scheidung nahe. Dieser weigert sich standhaft, Frau und Kind im Stich zu lassen. Die Forderungen des Propagandaministeriums werden massiver, man droht mit Repressalien. Im Frühjahr 1941 ergeht dann die Weisung, Joachim Gottschalk nicht mehr im deutschen Film zu beschäftigen. An der Volksbühne nimmt der ängstliche Intendant Klöpfer ihm bereits zugesagte Rollen wieder ab, beschäftigt ihn deutlich weniger.

 

Der Suizid

Rollen-Portrait Joachim Gottschalk als Hans Christian Andersen in dem Film "Die schwedische Nachtigall" (Deutschland, 1941). Foto: Baumann, Ross-Verlag, 1941.

Der Suizid

Im Spätherbst 1941 fassen die Gottschalks den Entschluss, aus dem Leben zu scheiden. In der Nacht vom 5. auf den 6. November 1941 nimmt Joachim Gottschalk gemeinsam mit seiner Frau Meta und dem achtjährigen Michael Schlaftabletten, anschließend drehen sie in der Küche ihrer Berliner Wohnung den Gashahn auf.

"Am Abend kommt noch die etwas peinliche Nachricht", notiert Goebbels in seinem Tagebuch, "dass der Schauspieler Gottschalk, der mit einer Jüdin verheiratet war, mit Frau und Kind Selbstmord begangen hat. Er hat offenbar keinen Ausweg mehr aus dem Konflikt zwischen Staat und Familie finden können. Ich sorge gleich dafür, dass dieser menschlich bedauerliche, sachlich fast unabwendbare Fall nicht zu einer alarmierenden Gerüchtebildung benutzt wird."

Obwohl damit die Weisung ergeht, die Verzweiflungstat des beliebten Künstlers nicht zu publizieren, spricht sie sich in Windeseile herum. An der Beerdigung der Gottschalks auf dem Stahnsdorfer Friedhof nehmen, trotz einer eindringlichen Warnung des Ministers, etliche mutige Kollegen teil: Hans Brausewetter, Rene Deltgen, Gustaf Gründgens, Ruth Hellberg, Werner Hinz, Brigitte Horney, Gustav Knuth, Ernst Sattler.

Die Ausstellung zeigt einzigartiges Material aus dem Leben des Schauspielers Joachim Gottschalk; seine künstlerische Arbeit ist ebenso ausführlich dokumentiert wie die Maßnahmen des NS-Staates gegen ihn. Man gewinnt Einblick in sein Privatleben, das ihm zum Verhängnis wurde, weil es bei der Unmenschlichkeit dieser Diktatur kein Privatleben geben durfte, dessen Konstellationen den Interessen des Staates zuwider liefen. Erschütternde Dokumente zeigen die versuchte Entwürdigung ebenso auf wie die vollzogene Entrechtung eines deutschen Künstlers, der nicht käuflich war.