Helmut-Käutner-Preis für Michael Verhoeven

| Kultur

Der Helmut-Käutner-Preis 2022 geht an Michael Verhoeven.

Michael Verhoeven, Foto: Sentana Filmproduktion GmbH

Michael Verhoeven wird mit dem Helmut-Käutner-Preis 2022 der Landeshauptstadt Düsseldorf ausgezeichnet. Dies hat die Jury des Preises am Samstag, 29. Januar, in einer vom Filmmuseum Düsseldorf durchgeführten Online-Sitzung entschieden. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird zum 17. Mal vergeben.

Die Nachricht über die Jury-Entscheidung teilte Kulturdezernent Hans-Georg Lohe dem Preisträger telefonisch mit.

Michael Verhoeven: "Ich fühle mich sehr geehrt, dass mir der Helmut-Käutner-Preis 2022 verliehen wird und bedanke mich dafür sehr herzlich bei der Jury und der Stadt Düsseldorf. Ich freue mich ganz besonders über gerade diese Ehrung, da ich Helmut Käutner noch persönlich kannte und mit ihm zusammenarbeiten durfte. Helmut Käutner war ein herausragender Regisseur, auch weil er seine eigene Erfahrung als Schauspieler einbrachte“.

In der Begründung der Jury heisst es: "Der diesjährige Helmut-Käutner-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf geht an den Regisseur, Autor, Produzent und Schauspieler Michael Verhoeven, dessen filmisches Werk fünf Jahrzehnte umfasst, mit Spiel- und Dokumentarfilmen. Sein filmisches Lebenswerk setzt sich auf ebenso singuläre wie kritische Weise mit der deutschen Geschichte auseinander. Michael Verhoeven, der Helmut Käutner noch persönlich als Schauspieler kannte und mit ihm bei zwei Kinofilmen in den 1950er Jahren zusammenarbeitete, ist eine der wichtigsten humanistischen Stimmen des deutschen Films. Mit Filmen wie etwa "Die weiße Rose" (1982), "Das schreckliche Mädchen" (1990) oder "Mutters Courage" (1995), mit Dokumentarfilmen wie "Der unbekannte Soldat" (2006) oder "Menschliches Versagen" (2008) beleuchtet Michael Verhoeven mit seiner ihm eigenen Tiefenschärfe die Zeit des Nationalsozialismus, wie es nur wenige andere Filmschaffende tun. Michael Verhoeven arbeitet seit Langem mit seiner Frau, der Schauspielerin Senta Berger, zusammen. Gemeinsam produzieren sie mit ihrer Münchner Sentana Filmproduktion bedeutende Kinofilme, Fernsehfilme und Reihen“.

Kulturdezernent Hans-Georg Lohe: "Mit Michael Verhoeven wird einer der wichtigsten politischen Regisseure mit dem Helmut-Käutner-Preis 2022 geehrt. Die Jury würdigt damit seinen kritischen Blick auf die deutsche Geschichte. Ganz besonders freue ich mich, dass mit Michael Verhoeven eine Persönlichkeit geehrt wird, die Helmut Käutner auch noch persönlich kannte und mit ihm sogar zusammengearbeitet hat".

Die feierliche Verleihung des 17. Helmut-Käutner-Preises findet voraussichtlich im Mai 2022 statt. Der genaue Termin wird rechtzeitig bekannt gegeben.

Michael Verhoeven - Kurzvita
Michael Verhoeven ( * 13. Juli 1938) begann seine Karriere als jugendlicher Darsteller in Filmen der 1950er Jahre ("Das fliegende Klassenzimmer", "er Jugendrichter" oder "Der Pauker"), entschloss sich dann aber, zunächst Medizin zu studieren. Er promovierte 1969 und arbeitete einige Jahre als Arzt. Nach weiteren Auftritten in Kinofilmen (u.a. in Helmut Käutners "Das Haus in Montevideo" und "Lausbubengeschichten") gründete er mit seiner Frau Senta Berger die Filmproduktionsfirma Sentana und begann, als Regisseur selbst Filme zu drehen.

Sein experimenteller Anti-Vietnam-Kriegsfilm "O.K." sorgte als Wettbewerbsbeitrag auf der Berlinale 1970 für einen Skandal, der dazu führte, dass der Wettbewerb abgebrochen wurde und ohne Preisverleihung blieb. 1982 verfilmte er die Geschichte der Geschwister Scholl in "Die Weiße Rose". Für seinen Film "Das schreckliche Mädchen" (1990) erhielt er eine Oscar-Nominierung als "bester ausländischer Film“. Diese beiden Filme und weitere, die sich mit der Geschichte des Dritten Reichs beschäftigten, sorgten dafür, dass Michael Verhoeven zu einem der wichtigsten politischen deutschen Filmregisseure wurde.

Im Jahr 2006 erschien nach siebenjähriger Arbeit sein erster Dokumentarfilm "Der unbekannte Soldat" über Reaktionen zur Wehrmachtsausstellung. In seiner 2008 erschienenen Dokumentation "Menschliches Versagen" befasst sich Verhoeven mit der Frage, in welchem Ausmaß die deutsche Zivilbevölkerung von der Einziehung jüdischen Vermögens in der NS-Zeit profitierte. In seinem 2011 in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk entstandenen Dokumentarfilm "Die zweite Hinrichtung - Amerika und die Todesstrafe" befasst sich Verhoeven mit dem vermeintlichen Schwerverbrecher Romell Broom und dessen Hinrichtung in Lucasville, Ohio.

Jeweils zusammen mit Senta Berger wurde er 1999 mit dem Bundesverdienstkreuz und 2002 mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet. 2005 erhielt Michael Verhoeven den Marion-Samuel-Preis. Er ist Sohn des Schauspielers und Regisseurs Paul Verhoeven und der Schauspielerin Doris Kiesow (1902–1973), Bruder von Lis Verhoeven und Onkel der Schauspielerin Stella Adorf. Seit 1966 ist er mit der Schauspielerin Senta Berger verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne, die ebenfalls in der Filmbranche tätig sind: Simon Vincent (* 1972) und Luca Paul (* 1979).

Filmografie

Schauspiel:
1954: Das Fliegende Klassenzimmer
1955: Marianne
1955: Griff nach den Sternen
1958: Der Pauker
1960: Der Jugendrichter
1960: Mit 17 weint man nicht
1960: … und noch frech dazu!
1962: Ich kann nicht länger schweigen
1962: Wenn beide schuldig werden
1963: Das Haus in Montevideo
1963: Jack und Jenny
1964: Lausbubengeschichten
1966: Onkel Filser – Allerneueste Lausbubengeschichten
1970: o.k.

Regie:
1967: Paarungen (auch Drehbuch)
1969: Engelchen macht weiter – hoppe, hoppe Reiter
1969: Der Bettenstudent oder: Was mach’ ich mit den Mädchen?
1969: Tische (Kurzfilm)
1970: o.k. (auch Drehbuch)
1971: Wer im Glashaus liebt… Der Graben (Kinofilm, auch Drehbuch),
Internationale Filmfestspiele Berlin 1971
1972: Tatort – Kressin und der Mann mit dem gelben Koffer
1973: Coiffeur ... (R, DA, Pro, Kurzfilm)
1976: MitGift (auch Drehbuch)
1977: Gefundenes Fressen (auch Drehbuch)
1978: Gutenbach
1980: Am Südhang (auch Drehbuch)
1980: Die Ursache (auch Drehbuch)
1980: Sonntagskinder (auch Drehbuch)
1982: Die weiße Rose (auch Drehbuch)
1982: Die Mutprobe (auch Drehbuch)
1983: Die Spider Murphy Gang (nur Drehbuch)
1986: Killing Cars (auch Drehbuch)
1987: Gegen die Regel
1990: Das schreckliche Mädchen (auch Drehbuch)
1990: Schlaraffenland (auch Drehbuch)
1993: Eine unheilige Liebe (auch Drehbuch)
1995: Mutters Courage (auch Drehbuch)
2000: Enthüllung einer Ehe (auch Drehbuch)
2006: Der unbekannte Soldat (Dokumentarfilm)
2008: Bloch – Vergeben, nicht vergessen
2008: Menschliches Versagen (Dokumentarfilm)
2011: Die zweite Hinrichtung – Amerika und die Todesstrafe (Dokumentarfilm)
2014: Let’s go! (auch Drehbuch)
2014: Glückskind (auch Drehbuch)

Auszeichnungen

1971: Filmband in Gold (Drehbuch) für O.k.
1975: Goldene Kamera (Regie) für Die Herausforderung
1981: Arles: Französischer Kritikerpreis für Sonntagskinder
1982: Amiens: Grand Prix für Sonntagskinder
1982: Internationales Filmfestival Karlovy Vary: Rose der Antifaschisten für
Die weiße Rose
1983: Filmband in Silber für Die weiße Rose
1983: DAG-Fernsehpreis in Gold für Die Mutprobe
1990: Silberner Bär auf der Berlinale 1990 für Das schreckliche Mädchen
1991: Oscar-Nominierung für Das schreckliche Mädchen
1994: Mitglied der Akademie der Künste Berlin
1998: Josef-Neuberger-Medaille der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf
1999: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
2001: Robert-Geisendörfer-Preis (Regie, Fernsehen: Enthüllung einer Ehe)
2002: Bayerischer Verdienstorden
2003: Medaille München leuchtet in Gold
2005: Goldener Ochse – Ehrenpreis des Filmkunstfestes Mecklenburg-Vorpommern
2005: Marion-Samuel-Preis der Stiftung Erinnerung für das Gesamtwerk
2007: Ehrenpreis des Bayerischen Filmpreises
2009: Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste
2009: Preis für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museums Berlin
2009: Herbert-Strate-Preis der Filmstiftung NRW und des Kinoverbands HDF Kino
2010: Simon-Snopkowski-Preis
2012: Friedenspreis des Deutschen Films – Die Brücke als Ehrenpreis
2013: Filmpreis der Landeshauptstadt München
2015: Hans-Vogt-Filmpreis
2016: Bayerischer Filmpreis in der Kategorie Beste Produktion für Willkommen
bei den Hartmanns (gemeinsam mit Max Widemann, Quirin Berg und Simon Verhoeven)

Hintergrund
Der Helmut-Käutner-Preis wird, wie es in der Satzung heißt, verliehen an "Persönlichkeiten, die durch ihr Schaffen die Entwicklung der deutschen Filmkultur nachdrücklich unterstützen und beeinflussen, ihr Verständnis gefördert und zu ihrer Anerkennung beigetragen haben". Der Filmpreis der Landeshauptstadt erinnert an den in Düsseldorf geborenen Regisseur Helmut Käutner (1908 Düsseldorf - 1980 Castellina, Italien). Bekannt wurde Käutner mit Filmen wie "Die große Freiheit Nr. 7", „Unter den Brücken“, "Des Teufels General" oder "Wir Kellerkinder".

Die Jury des Helmut-Käutner-Preises tagte am Samstag, 29. Januar 2022.
Ihr gehörten an: Als Vertreterinnen des Kulturausschusses Dr. Susanne Schwabach-Albrecht, Cornelia Mohrs und Karin Trepke; ferner Hans-Georg Lohe (Kulturdezernent der Landeshauptstadt Düsseldorf), Bernd Desinger (Leiter des Filmmuseums Düsseldorf), Petra Müller (Geschäftsführerin Film- und Medienstiftung NRW), Ruth Schiffer (Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW) die Filmproduzentin Anita Elsani  Regisseurin, Produzentin und Autorin Cordula Kablitz-Post sowie Filmjournalist und Buchautor Thilo Wydra.

Die bisherigen Käutner-Preisträgerinnen und Preisträger
2019: Caroline Link, Regisseurin und Drehbuchautorin
2017: Margarethe von Trotta, Filmregisseurin und Schauspielerin
2015: Ulrich Tukur, Schauspieler und Musiker
2013: Christian Petzold, Regisseur
2010: Christoph Schlingensief, Film-, Theater-, Opern- und Fernsehregisseur, Aktionskünstler
2007: Dieter Kosslick, Leiter der Internationalen Filmfestspiele Berlin
2004: Wim Wenders, Filmregisseur
2001: Hannelore Hoger, Schauspielerin
1999: Rudolf Arnheim, Kultur- und Medienkritiker
1995: Hanns Eckelkamp, Filmproduzent und Verleiher; Enno Patalas, Filmkritiker und –kurator; Wolf Donner, Filmpublizist
1993: Hildegard Knef, Schauspielerin und Autorin
1990: Wolfgang Kohlhaase, Drehbuchautor und Schriftsteller
1988: Ulrich Gregor, Co-Direktor der Internationalen Filmfestspiele Berlin sowie Hilmar Hoffmann, Gründer der westdeutschen Kurzfilmtage Oberhausen, Kulturdezernent der Stadt Frankfurt, Präsident der Goethe-Institute
1986: Bernhard Wicki, Film- und Fernsehregisseur, Schauspieler
1984: Wolfgang Staudte, Film- und Fernsehregisseur
1982: Lotte Eisner