Kulturlandschaft Niederrhein – Düsseldorf Rheinhafen Photographien von August Sander und Bernd & Hilla Becher

Bernd & Hilla Becher: Düsseldorf Rheinhafen, 1978 © Estate Bernd & Hilla Becher, vertreten durch Max Becher, courtesy Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – Bernd und Hilla Becher Archiv, Köln.
Bernd & Hilla Becher: Düsseldorf Rheinhafen, 1978 © Estate Bernd & Hilla Becher, vertreten durch Max Becher, courtesy Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – Bernd und Hilla Becher Archiv, Köln.

Kulturlandschaft Niederrhein – Düsseldorf Rheinhafen Photographien von August Sander und Bernd & Hilla Becher

Eine Ausstellung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln, in Kooperation mit dem Bernd & Hilla Becher Studio und der Landeshauptstadt Düsseldorf.

Die Sichtung der Archive sowohl von August Sander als auch von Bernd und Hilla Becher bringt immer wieder neue Perspektiven auf ihr photographisches Schaffen zum Vorschein. So stellt die den beiden Positionen gewidmete Ausstellung zwei bisher weitgehend unbekannte Motivkreise gegenüber. Einerseits sind es über 50 Schwarz-Weiß-Photographien von August Sander vorwiegend aus den 1930er-Jahren, von beispielsweise geschichtsträchtigen Wasserburgen, Industrieanlagen und Ortsansichten (u. a. von Düsseldorf), die ein vielseitiges Porträt der Kulturlandschaft am Niederrhein zeichnen. Andererseits erweisen sich ebenso schwarz-weiße, großformatige Ansichten von Bernd und Hilla Becher, aufgenommen im Rheinhafen in Düsseldorf und umliegenden Industriegebieten, als Entdeckung. Sie hatten dort zwischen ca. 1973 und 1994 historische Lagerhäuser und Zweckbauten in dem für ihre Arbeit typisch sachlichen Stil dokumentiert.August Sander (1876–1964), für sein bedeutendes Porträtwerk bekannt, hat sich seit seiner frühen Selbstständigkeit als Photograph, die 1902 im österreichischen Linz ihren Ausgang nahm, auch dem Thema der Landschaft zugewandt. Für ihn stellte sich in der Landschaft eine dem Porträt parallele Herausforderung, die er mit vergleichbarer Zielsetzung verfolgte.

Sanders visuelle Aufmerksamkeit zielte generell insbesondere auf Phänomene, in denen sich typische Momente der Zeit niederschlagen, wobei ihm – wie das Werk „Menschen des 20. Jahrhunderts“ belegt – die photographische Erschließung der menschlichen Gesellschaft mit ihren Persönlichkeiten wichtig war, aber ebenso das Studium der Landschaft, die gleichermaßen Lebens- und Geschichtsraum ist und als solche ein facettenreich individuelles Profil trägt.

Die für diese Ausstellung getroffene Auswahl an Photographien bezieht sich auf die Region des Niederrheins, einem Gebiet, dem sich August Sander neben dem Siebengebirge, dem Mittelrhein, dem Bergischen Land, dem Westerwald, der Eifel, dem Moselgebiet und dem Saarland zuwendete, abgesehen von vielen Landschaftsaufnahmen, die 1927 auf seiner Reise nach Sardinien entstanden. Im August Sander Archiv liegen für das Gebiet des Niederrheins rund 250 Negative und knapp ebenso viele Originalabzüge vor, wobei es zwischen diesen beiden Konvoluten eine große Schnittmenge der Motive gibt. Für die aktuelle Ausstellung aber wurden in den vergangenen beiden Jahren zugunsten einer einheitlichen Präsentation und zugunsten von Motiven, zu denen keine Originalabzüge erhalten sind, analoge Neuabzüge unter Hinzuziehung der originalen großformatigen Glasnegative geschaffen. Die Bildausschnitte der Neuabzüge orientieren sich dabei weit möglichst am Vintage-Material. Insgesamt versteht sich das Projekt zugleich als ein Beitrag zur Archivsicherung und erweiterten Sichtbarmachung des Bildmaterials für die interessierte Öffentlichkeit.

August Sander: Mühle zu Kaiserswerth, 1934 © Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn, 2021.
August Sander: Mühle zu Kaiserswerth, 1934 © Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn, 2021.

Die Motivauswahl geht dabei auf mehrere Quellen zurück. So auf die 1935 mit 32 Tafelabbildungen ausgestattete Publikation Am Niederrhein von August Sander, erschienen im L. Holzwarth-Verlag, Bad Rothenfelde, mit einem Text von Ludwig Mathar und einem Vorwort des Photographen. Wenn auch nicht alle der in dieser Veröffentlichung aufgenommenen Motive in die hiesige Ausstellung eingehen, so bietet sie einen thematischen Querschnitt, der ausgehend von Landschaftsansichten mit ihren botanischen Gegebenheiten, Kulturdenkmälern wie Wasserburgen, Schlössern und Kirchen, typischen Architekturen, Ortsansichten – so etwa von Düsseldorf, Duisburg, Kalkar, Kaiserswerth, Köln, Mülheim/Ruhr, Wesel und Xanten – bis hin zu Aspekten der Industrie und des Verkehrs eine wesentliche Grundlage für die Sichtung von Sanders Archiv und damit auch für die Auswahl der Exponate.

Bemerkenswert ist überdies, dass vereinzelt Photographien vorkommen, die Erich Sander aufgenommen hatte und seinem Vater zur Einbeziehung in sein Werk zur Verfügung stellte. Blickt man auf Sanders Landschaftsansichten, so stellt man schnell fest: Sein Augenmerk galt weniger einer überhöhten landschaftlichen Schönheit, um diese etwa touristisch attraktiv zu machen, als vielmehr einem grundlegend naturwissenschaftlichen und kulturhistorischen Interesse, das in den von ihm gefundenen Ansichten eine charakteristische bildnerische Form findet.

Mit seinen Photographien bietet uns August Sander sowohl eine topographische Beschreibung einer Landschaft mit einer Vielzahl ihrer für sie typischen Momente als auch einen Einblick in seine Auffassung der eigenen Lebenswirklichkeit als eine natürliche sowie kulturell historisch gewachsene Umwelt. Bei den acht großformatigen Exponaten mit Werken von Bernd und Hilla Becher (1931–2007/1934-2015) stehen industrielle Zweckbauten und Konstruktionen des Rheinhafen Düsseldorf im Mittelpunkt. Diese waren im Kontext der Speicherung, Produktion und Lagerung wie auch dem Weitertransport von Waren von Bedeutung und sind heute nur teilweise noch existent bzw. in eine neue Architektur eingebunden. Sie beleuchten das Thema der Kulturlandschaft am Niederrhein gewissermaßen noch einmal aus eigener Perspektive, wobei insbesondere der Bereich Industrie und Verkehr wiederholt angesprochen wird.

Entstanden sind die Schwarz-Weiß-Aufnahmen in den 1970er- bis 90er-Jahren, wobei allein zwei Motive – eines davon in einer Variante – bislang veröffentlicht wurden und zwar 2006 im Buch über die Getreidesilos (Schirmer/Mosel Tafel 242, 243=Variante). Entsprechend finden sich in den Exponaten insbesondere Lagerhäuser, ein altes Mälzereigebäude, Ent-und Beladekonstruktionen sowie Silos dargestellt, die Bernd und Hilla Becher objekthaft nüchtern, zentral ins Bild gesetzt vor Augen geführt haben. Über die präzis klare Beschreibung dieser bildbestimmenden Motive hinaus, berichten die Aufnahmen jedoch auch – gewissermaßen als Randnotiz – über die Standorte der Bauten, was bei näherer Betrachtung zudem die Erinnerung an eine vergangene Atmosphäre und Zeit hervorzurufen vermag. Ab Ende der 1970er-Jahre hat der Düsseldorfer Rheinhafen – heute Medienhafen – eine Umstrukturierung erfahren. Dies trug mit dazu bei, dass sich für Bechers auch hier die nachdrückliche Aufgabe gestellt hatte, die wenigen vor Ort noch erhaltenen Bauten der Industriearchitektur des frühen 20. Jahrhunderts, die damals teilweise vor dem Abriss standen, zu dokumentieren, um sie in ihr Werk einzugliedern. Die Ausstellungsstücke sind als hochaufgelöste digitale Drucke auf Grundlage der originalen großformatigen Negative des Künstlerpaars in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur ausgearbeitet worden. Auch hier steht die Motivation der kontinuierlichen Archivsicherung und -sichtbarmachung im Vordergrund. Zugrunde gelegt werden die Maßstäbe des Künstlerpaars, was nicht im Gegensatz dazu stehen sollte, in der Präsentationsweise neue Schritte auszuloten, um so auch weitere visuelle Bilderfahrungen zu ermöglichen.

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