Running Team "Refugees Welcome" erfolgreich beim Metro-Group-Marathon gestartet

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Running Team Refugees Welcome

In Düsseldorf laufen Flüchtlinge beim Metro-Group-Marathon in Staffeln mit dem Büro der Flüchtlingsbeauftragten.

 

Ein Bericht von Hans-Joachim Bittner

Düsseldorf. Frank Griese integriert. Nachhaltig. Mit Charme, bewusst, sacht, mit Gefühl und Herz. Der 47-Jährige ist Mitarbeiter im Büro der Düsseldorfer Flüchtlingsbeauftragten Miriam Koch. Und Frank Griese läuft. Da er das nicht immer allein tun möchte, versammelte er eine bunte Schar um sich. Freunde, Kolleginnen und Kollegen sowie Menschen mit Fluchterfahrungen. Einige sind schon länger hier, andere seit kurzem. Mahmoud ist einer unter ihnen. Seine Augen strahlen, als er beim 14. Düsseldorf-Marathon den Schlusspart des Running Staffel-Teams "Refugees Welcome II" gut hinter sich gebracht hat. 9,2 Kilometer immerhin.

Der Syrer besitzt nicht die drahtige Figur der Kenianer, die einige Stunden zuvor den Einzel-Wettbewerb über 42,195 Kilometer bestritten und lange dominierten. Umso erstaunlicher, dass der ehemalige Nationaltrainer der Basketballer seines Heimatlandes den Lauf mitgemacht und bewältigt hat. So wie seine Frau Dalia. Oder Mam und Alhassane. Das fröhliche Duo aus Guinea hatte Frank im Rahmen seiner Arbeit für Flüchtlinge eher zufällig kennengelernt und sich gedacht, dass "ich die beiden doch einfach mal frage, ob sie bei einer unserer Staffeln mitmachen wollen". Sie waren sofort Feuer und Flamme ? die intensive Arbeit mit dem angehenden Erzieher Mam und dem Elektrotechnik-Lehrling Alhassane begann.

Beim Fragen allein blieb es freilich nicht. Frank legte los, mit Leidenschaft. Schließlich gehört die "einfachste" Fortbewegung mit den eigenen zwei Beinen zu "seinen" Sportarten, neben Fußball, eher passiv, und Handball, früher aktiv. Der Papa zweier Söhne besorgte die Ausrüstung, ging mit den Flüchtlingen Laufschuhe kaufen, richtete eine Facebook-Seite ein und pflegte sie, nahm die Team-Einteilung für letztlich drei Staffeln vor, sah nach, wie es um die Fitness und Gesundheit vor allem der Flüchtlinge bestellt war, organisierte Trainingsläufe und motivierte seine Truppe für einen Test-Wettbewerb beim 34. Benrather Volkslauf vor wenigen Wochen...

Zwischen Kettwiger und Moskauer Straße sitzt Frank in der U-Bahn mit der Nummer 75. "Noch vier Stationen". Er wirkt latent nervös , der sonst so ruhige Wahl-Solinger. Die vielen Läufer im Zug sind unverkennbar. "Es kann einiges schieflaufen", weiß Frank, trotz bester Vorbereitungen. Diesbezüglich muss er sich nichts vorwerfen. Aber Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sind in anderen Ländern oft nicht mit unseren Gepflogen- und Gewohnheiten vergleichbar. Um 9 Uhr ist Treffpunkt in Frank?s Büro. Ein paar Schritte sind es noch, von der Heinrich-Heine-Allee in die Ratinger Straße. Der gebürtige Düsseldorfer sammelte diverse Erfahrungen. Am 2. April, kurz vor dem Start in Benrath, bei der Team-Premiere sozusagen, zehn Kilometer wären zu bewältigen gewesen, sagte einer seiner Läufer unvermittelt ab, zwei kamen viel zu spät und einer stieg nach fünf Kilometern aus. Frank presst die Lippen fest aufeinander: "Wird schon gutgehen, diesmal", ist er vorsichtig zuversichtlich. Sein spannendster Moment an diesem Tag ist der erste Blick in den Aufenthaltsraum der gerade neu-bezogenen Büro-Räumlichkeiten nahe des "Füchschen" in der Altstadt. Er wird nicht enttäuscht: "Fast schon alle da, vor allem die Flüchtlinge", strahlt er. Die, die später laufen, dürfen später kommen.

Knisternde Atmosphäre

Frank kümmert sich. Um alles und jeden. Er hält die Fäden in der Hand. "Mir bereitet es große Freude, zu helfen". Mit seiner seit August letzten Jahres ausgeübten neuen Aufgabe ? zuvor arbeitete er im Seniorenreferat beim Amt für soziale Sicherung und Integration der Landeshauptstadt ? kann er berufliche Aufgaben und Engagement mit privaten Leidenschaften verbinden, unter anderem mit dem Sport. "Was gibt es Schöneres?", fragt er und ist einmal mehr gefragt: Mam aus Guinea möchte mal wieder wissen, wann es denn nun losgehe. Frank ist Mädchen für alles, erledigt Punkt für Punkt mit sachlicher Gelassenheit, drängt sich weder auf oder in den Mittelpunkt. Er ist der Ruhepol in einer Atmosphäre, die ein wenig knistert. Die Anspannung steigt. "Ganz normal", schmunzelt Frank. Die volle Unterstützung seiner Chefin Miriam Koch im Rücken wissend und einer beachtlichen Entscheidungsfreiheit gewahr, geht ihm alles scheinbar leicht, auf alle Fälle jedoch routiniert von der Hand. Schon als Städtischer Koordinator der "zentren plus" brachte Frank in den letzten beiden Jahren je zwei Staffeln an den Düsseldorf-Marathon-Start. Diesmal sind es drei, diesmal unter dem beeindruckenden Titel von Integration und Partizipation. Das ist mitunter auch seine Aufgabe im Büro der Flüchtlingsbeauftragten. Rund 2.000 Fragebögen hat er kürzlich ausgewertet: "Die Stadt will damit mehr über die Menschen in Erfahrung bringen, für die sie zuständig ist", sagt der berufliche Marathon-Mann.

"Wo ist meine Startnummer?", fragt Birthe, eine der beiden Praktikantinnen, die ebenfalls für "Refugees Welcome" an den Start geht. Frank hat alles parat, hat die Umschläge mit allen Unterlagen unterm Arm, verteilt Energie-Drinks und -Riegel. Auf Schokolade verzichtet er heute, obwohl es vor seinen Läufen eine Art "dazu gehörendes" Ritual geworden ist. Noch einmal auf die Toilette, den Sitz des "Staffel-Schildes" auf dem Rückenteil des einheitlichen grauen Team-T-Shirts überprüfen, bald geht?s los. Dieter, ein Freund von Frank, erkundigt sich, wo seine Wechselzone ist beziehungsweise wie die Übergabe mit dem Läufer vor ihm korrekt über die Bühne geht. Viele Fragen. Oft wiederholen sie sich. Frank bleibt ruhig und hat die Antworten. Er schätzt vorab sogar sehr gut ab, wie lange wohl der eine oder andere für die vier unterschiedlich langen Strecken benötigen wird. Somit weiß jeder seine Zirka-Startzeit.

Mahmoud bringt Frank ein Getränk. Er war einige Minuten nach ihm ins Ziel gelaufen und freute sich so sehr, es geschafft zu haben. All die Strapazen auf der Strecke waren schlagartig wie verflogen. 4.500 Staffeln rund. Franks Quartett mit Alhassane, Martin und Birthe landete auf der sensationellen 518. Position, nur 38 Minuten hinter dem Siegerteam. Er lässt seinen Jubelschrei los, als die Praktikantin die Platzierung auf der Marathon-App entdeckt. Selbst die zweite Staffel mit Mam, Christian, Dalia und Mahmoud läuft in die ersten Tausend ins Ziel unter den Rhein-Terrassen. Einfach stark. Letztlich beschließt die dritte Zusammenstellung mit Udo, Dieter, Georg und Annette in gut vier Laufstunden den Tag.

Wir sind EIN Team

Frank ruht in sich. Er selbst bringt seinen 9,2 Kilometer-Abschnitt in 45.39 Minuten auf den Asphalt, zum ersten Mal mit einem Unter-Fünf-Minuten-Schnitt ? seine ganz persönlichen Rekorde, die ihm an diesem Tag jeder doppelt gönnt. Noch ein Jubler: Mit den Skyline-Medaillen um den Hals bei alkoholfreiem Gerstensaft aus München und Kaffee auf der jetzt sonnendurchfluteten Terrasse des Flüchtlingsbüros. Während der Läufe war es äußerst wechselhaft gewesen, sogar kurze Schnee- und Graupelschauer begleiteten den Marathon 2016. Den "Welcome Refugees"-Teilnehmern war das egal. "Das gemeinsame Sport-Erlebnis zählt", sagt Frank. "Wir sind EIN Team", haut er ausgelassen und noch voller Adrenalin eine weitere geflügelte Aussage raus. Für ihn bedeutet Laufen immer Entspannung und Genuss: "Ich kann dabei bestens abschalten".

Mahmoud verneigt sich vor Franks fantastischer Leistung ? auf der Strecke und im Vorfeld. "Vielen herzlichen Dank. Es ist schön ein Teil dieser Familie zu sein", lächelt er, bedankt sich bei allen liebevoll und hofft auf dem Nachhauseweg, nächstes Jahr erneut mit dabei zu sein. Allen anderen geht es genauso. Frank hat ein Ziel erreicht. Jetzt kommen neue. Seine Lauf-Gäste aus Guinea und Syrien wollen nie mehr weglaufen müssen, sondern nur noch aus Freude rennen. "Wir haben es geschafft", sagt der Kümmerer und Integrierer am Ende des Tages zufrieden.

von Hans-Joachim Bittner

Buch-Autor - Redakteur - Fotograf
für die PNP: Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger

Telefon 0176 / 764 80 770
E-Mail hansjoachimbit@aol.com

1. Buch:
FAHR FAR AWAY - Mit dem Fahrrad von Alaska bis Feuerland
ISBN: 978-3-9815717-7-6

2. Buch:
EINFACH GEH'N? - Unterwegs im hohen Norden und im Rest der Welt
ISBN: 978-3-944921-13-6

(26. April 2016)